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AutorenbildWalter Petschnig

Der Risikomanager: der Assistent, der Dokumentenmanager, die Pro-forma-Stelle oder ein Topmanager der Institution? Wie hätten wir es gerne?



Teil 1: Erzählung aus der Praxis

 Erzählung 1:

 Einige Wochen vor Weihnachten erhielt ich einen Anruf vom Geschäftsführer eines Krankenhauses mit ca. 700 Betten in Österreich, westlich von Wien. Er fragte mich, ob ich jemanden kenne, der sich für die Stelle des hauptamtlichen Risikomanagers interessieren könnte. Während des Gesprächs wurden weitere relevante Details besprochen, wie z.B. der mögliche Eintrittstermin. Ich bat ihn, mir das geplante Anforderungsprofil per E-Mail zukommen zu lassen. Die Anforderungen an die Stelle des Risikomanagers lauteten wie folgt (ich kann sie zu 95% wiedergeben)

 

·         Mindestens 7 Jahre Berufserfahrung im Risikomanagement,

·         davon mindestens 5 Jahre in leitender Position.

·         Eine anerkannte Ausbildung zum Risikomanager

·         Abgeschlossenes Grund- und Aufbaustudium (Bachelor, Master/MBA) 300 ECTS

·         Kenntnisse über integrierte Managementsysteme

·         „Überarbeitung des CIRS und Fehlermanagementkonzepts“

·         Durchführen von Fehleranalysen

·         Schulung, Moderation von M & M Konferenzen

·         Durchführung von Risikoaudits

·         Compliance-Kenntnisse sowie ausgezeichnete analytische und kommunikative Fähigkeiten erforderlich.

·         Kenntnisse im strategischen Management.

·         Durchführung und Moderation von SWOT- und PESTEL Analysen sollten beherrscht werden.

·         Erstellung eines Unternehmensweiten Risikoregisters

·         Durchführung von Risikomanagement- und Patientensicherheitsschulungen

·         Es sollten Risikokennzahlen eingeführt werden und eine einheitliche Komplikationserfassung

·         Es sollten RM-Berichte und Statistiken für die kollegiale Führung und Geschäftsführung erstellt werden.

Ein paar weitere Punkte sind mir entfallen

Ich war positiv überrascht, da ein so umfassendes und tiefgehendes Anforderungsprofil selten gefordert wird. Dies lässt darauf schließen, dass die Position und die Anforderungen an einen erfahrenen klinischen Risikomanager passen und die Potentiale, Möglichkeiten und die Bedeutung entsprechend dem Aufgabengebiet eines Risikomanagers richtig eingeschätzt wurden. Der Vorgänger hatte bei der Erstellung der Ausschreibung geholfen.

 Auf meine Frage nach der Gehaltsvorstellung antwortete er mir, dass bei Erfüllung aller Anforderungen und unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten und aller Zulagen ein maximales Jahresgehalt von 52.000 € angeboten werde. Da ich ein gewisses Vertrauensverhältnis zu ihm hatte, die Organisation ein wenig kannte und er einmal an einem meiner Risikomanagement-Trainings für Führungskräfte teilgenommen hatte, fragte ich höflich nach:

Sagen Sie, zahlen Sie dem Küchenchef, dem IT-Sicherheitsbeauftragten, dem Personalchef, dem Controllingchef und dem Finanzchef auch 52.000 €? Er lachte und sagte: "Natürlich nicht, das sind schon 2 Paar Schuhe!

Bevor ich auf die fachliche Seite dieser Geschichte eingehe, kommen wir zu Geschichte Nr. 2.

 

Erzählung 2:

 Im Jahr 2022 wurde ich im Rahmen eines Workshops von einer ehemaligen Studienkollegin gefragt, ob ich einen Risikomanager kenne, der Interesse an der Funktion des Risikomanagers in einer QM-Stabsstelle hätte. Sie selbst ist seit 2017 Pflegedirektorin und Mitglied der kollegialen Führung eines Privatspitals mit rund 400 Betten. Ich erkundigte mich nach dem konkreten Aufgabenbereich des gesuchten Risikomanagers. Die Mitarbeit im CIRS-Team, die Auswertung der Patientenfragebögen und die Kontrolle der relevanten Dokumente gehören zu den Hauptaufgaben. Die Aussagen blieben zunächst unkommentiert und ich fragte nach: Sind das alle Aufgaben, die erwartet werden? Die Antwort war, dass keine weiteren Aufgaben vorgesehen sind. Niemand im Haus wollte bisher diese Aufgaben übernehmen. Auf die abschließende Frage nach dem geplanten Gehalt für die Stelle antwortete sie, dass die bisherige Risikomanagerin für 20 Stunden ca. 2000 Euro brutto bekommen habe. Ich habe ihr gesagt, dass Risikomanager, wenn sie wechseln wollen, Risikomanagementaufgaben suchen und keine Pro-Forma- oder Verwaltungsaufgaben. Eine ganz andere und traurige Geschichte ist, dass die Erwartungen und das Bild, das die Kollegin und die kollegiale Führung des Hauses vom Risikomanagement haben, in keiner Weise dem Aufgabenprofil eines klinischen Risikomanagers entsprechen und das ausschöpfbare Potential zu einem Bruchteil nutzen.

 

Teil 2: Fachliche Betrachtung

 Zwei Erzählungen – zwei Risikomanager Profile – zwei Gemeinsamkeiten

 In der Diskussion um die Rolle des Risikomanagers im Krankenhaus wird immer wieder deutlich, dass die Sichtweise der obersten Leitung entscheidend ist. Sieht sie den Risikomanager eher als ausführenden Assistenten, als geschickten Dokumentenmanager, als formalen Pro-forma-Spezialisten oder als proaktiven "Manager"? Die Aufbauorganisation des Risikomanagements ist weitgehend gleich oder ähnlich.

In den Kliniken gibt es je nach Größe entweder einen übergeordneten Risikomanager, der häufig als Chief Risk Officer (CRO) oder URM Unternehmensweiter Risikomanager bezeichnet wird. Unabhängig von der Existenz dieser Funktion ist fast überall eine Stabsstelle Qualitäts- und Risikomanagement etabliert, wobei unterschiedliche Bezeichnungen möglich sind. Darunter, hoffentlich darunter, gibt es dann Multiplikatoren, Risikobeauftragte, Koordinatoren, wie auch immer sie genannt werden. Also operative Umsetzer der Bereiche, die mit den Führungskräften der Bereiche das Risikomanagement umsetzen und als Schnittstelle zwischen Bereich RM und Stabsstelle RM fungieren. Sie können aber sehr wohl alle Inhalte und Fragestellungen für z.B. einen CRO als auch das RM der Stabsstelle übermünzen, wenn Sie das wollen. Denn in manchen Krankenhäusern macht das RM der Stabsstelle das unternehmensweite Risikomanagement und umgekehrt. Es gibt in Österreich schon erste vorbildliche Beispiele von unternehmensweiten Risikomanagern, die eine eigene Stelle besetzen und sogar den Risikoschirm über ganze Holdings spannen. Dies ist eine der großen Errungenschaften des Risikomanagements der letzten Jahre. Das Risikomanagement ist auf der obersten, wirklich obersten Ebene angekommen. Wenn das bei Ihnen bereits der Fall ist, freut mich das aufrichtig!

 Die Antwort liegt in der Wahrnehmung und Wertschätzung durch die Krankenhausleitung. Und nein, es gibt keine andere Instanz, die das tun sollte, tun könnte, es steht und fällt mit der Krankenhausleitung. Natürlich ist die Krankenhausleitung wiederum jemandem unterstellt, aber das Bekenntnis zum RM ist eine Entscheidung der Krankenhausleitung.

Wenn der Schwerpunkt auf der rein unterstützenden Rolle liegt, kann der Risikomanager als geschickter Assistent erscheinen, der Routineaufgaben erledigt. In dieser Perspektive liegt der Schwerpunkt auf der effizienten Abwicklung von Prozessen und der Verwaltung von Dokumenten. Sieht die oberste Leitung den Risikomanager als proaktiven Manager der Organisation? Hier verschiebt sich der Fokus von einer rein unterstützenden Rolle hin zu einem strategischen Entscheidungsträger, der aktiv Risiken identifiziert, analysiert und präventive Maßnahmen einleitet. Diese Sichtweise erkennt den Risikomanager als entscheidenden Akteur an, der nicht nur reagiert, sondern proaktiv zum Gesamterfolg der Institution beiträgt.

 Ein erfahrener und entsprechend ausgebildeter Risikomanager kann darüber hinaus als Enabler fungieren. Seine Expertise ermöglicht es, Ziele und Strategien durch ein effektives Risikomanagement zu unterstützen. Durch die Identifikation und Steuerung von Risiken schafft er nicht nur Sicherheit, sondern auch die Grundlage für die Erreichung langfristiger Organisationsziele. Diese ganzheitliche Sichtweise macht den Risikomanager nicht nur zum Bewahrer, sondern auch zum Gestalter von Erfolg.

 Letztlich kommt es darauf an, wie die oberste Leitung des Krankenhauses die Rolle des Risikomanagers sieht. Die Diskussion sollte darauf abzielen, die vielfältigen Potenziale des Risikomanagements zu erkennen und den Blick von einer rein unterstützenden Rolle hin zu einem proaktiven Management und Enabler strategischer Ziele zu lenken. Nur so kann der Risikomanager zu einem echten Mehrwert für die Institution werden. In der Befragung zum Umsetzungsstand des klinischen Risikomanagements (kRM) in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken in Deutschland 2021 durch das Aktionsbündnis Patientensicherheit und das IfPS Bonn zeigte sich, dass ca. 45% der befragten Allgemeinkrankenhäuser strategische Ziele des klinischen Risikomanagements systematisch umgesetzt haben. Dieses Ergebnis würde sich in etwa mit meinen Erfahrungen in österreichischen Einrichtungen decken.

 Lassen Sie mich die gängigsten Anforderungen und relevanten Normen (ISO 31000, ÖNORM D 4901) mit eigenen Worten beschreiben:

 - Der klinische Risikomanager spielt eine zentrale Rolle im Gesundheitswesen, indem er potentielle Risiken identifiziert, bewertet und minimiert.

- Die Wahrnehmung dieser Rolle variiert je nach oberster Führungsebene, da verschiedene Führungskräfte unterschiedliche Prioritäten und Perspektiven haben können.

- Ein gut ausgebildeter klinischer Risikomanager verfügt über ein breites Spektrum an Fähigkeiten, einschließlich der Analyse von Patientendaten, medizinischen Prozessen und der Identifizierung von Risikobereichen, Risikoaggregation und strategischem Risikomanagement.

- Er ist mit den neuesten Entwicklungen in der Medizin und den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut, so dass er in der Lage ist, Risiken auf verschiedenen Ebenen der Organisation zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

- Die Rolle des klinischen Risikomanagers beschränkt sich nicht nur auf die Minimierung von Risiken, sondern er agiert auch als Enabler für Projekte innerhalb der Organisation.

- Durch die proaktive Identifizierung von Risiken und die Implementierung von Präventionsmaßnahmen schafft er eine sichere Basis für Innovation und Fortschritt im Gesundheitswesen.

- Dadurch kann die Organisation ihre Ziele effizienter verfolgen und gleichzeitig die Qualität der Patientenversorgung sicherstellen.

 Aus der Sicht der obersten Leitung sollte der klinische Risikomanager nicht nur als Garant für Sicherheit gesehen werden, sondern als strategischer „Partner“ und Konstante, der die Organisation dabei unterstützt, ihre Mission zu erfüllen und Risiken effektiv zu managen. Natürlich macht hier ein gesamtes Risikomanagementsystem wesentlich mehr aus als 1 Person, welcher Aspekt der Führung dabei eine Rolle spielt, wird in Episode 9 näher betrachtet. Zum Abschluss der fachlichen Betrachtung soll hier einer der Meilensteine des klinischen Risikomanagements und ein Paradebeispiel für die Forcierung des Themas in Österreich nicht unerwähnt bleiben. So gibt es bereits in 2-3 Bundesländern implementierte Gesamtrisikosysteme, die sich über alle Einrichtungen erstrecken. Die ein unternehmensweites Risikomanagement mit dem Klinischen RM verschmelzen bzw. harmonisieren.

 

Teil 3: Reflexionsfragen

 1. Ist das Portfolio des Risikomanagers dem Top-Management, der Geschäftsführung und dem mittleren Management bekannt?

2. wenn nein, warum nicht?

3. Wessen Aufgabe ist es Ihrer Meinung nach, das RM-Portfolio des Risikomanagers zu klären, zu diskutieren, die Anforderungen zu definieren? Die des RM, der Geschäftsleitung, der kollegialen Führung?

3. Wie sehen Sie Ihren Risiko Manager? Auf welcher Ebene, mit welchen Kompetenzen, mit welchen Aufgaben? Eher operativ, eher strategisch, beides?

4. Wo binden Sie Ihre Risikomanager konkret ein? In welche Prozesse, in strategische Themen?

5. Wenn Sie Ihren Risikomanager nicht in strategische Analysen, Themen, Zieldefinitionen etc. einbinden, wäre meine Folgefrage: Wer analysiert dann die daraus resultierenden Risiken? Jemand Externes?

6. Wie sieht der Risikomanager seine Rolle in der Organisation?

7. Wie möchte er gesehen werden? Möchte er als Enabler, RM Berater für alle Bereiche sein oder möchte er auf Flughöhe CIRS Fälle bearbeiten und Dokumente aktuell halten, ohne damit eine Abwertung von CIRS oder Dokumentenmanagement ausdrücken zu wollen.

Ganz im Gegenteil. Es sind wesentliche Aspekte, die Frage zielt auf die Flughöhe.

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